Über den Vorteil, ein Brett vorm Kopf zu haben.
Dass Holz ein schlechter Wärmeleiter ist, ist einer seiner größten Vorteile: Holz ist Baumaterial und Wärmeschutz in einem. Gerade in der kalten Jahreszeit schätzen viele Menschen die heimelige Atmosphäre in Holzhäusern. Aber Holz kann als moderner Baustoff noch mehr – immerhin ist in der Seestadt Aspern das größte Holzhochhaus der Welt geplant. Warum ist Holz so ideal fürs Raumklima, warum ist es praktisch – und wo werden derzeit Holzbau-Projekte realisiert?
Die angegraute, verwitterte Schutzhütte am Bergkamm; ein kanadisches Blockhaus im tiefen Wald; die eingeschneite Holzhütte an einem finnischen See: Wenn von Holzhäusern die Rede ist, denken die meisten Menschen an ein urig-gemütliches Hüttenleben, knisterndes Feuer im Kamin in der kalten Jahreszeit – und den natürlichen Geruch von Holz und seinem Harz. Dabei ist Holz in letzter Zeit absolut im Trend, wenn es darum geht, neue, intelligente und umweltfreundliche Baustoffe zu verarbeiten.
Historisches Baumaterial – neu interpretiert
Seit der Steinzeit wird Holz nicht nur als Brenn-, sondern auch als Baumaterial genutzt. Ebenso lange wird Holz im Inneren und Äußeren von Häusern auf drei verschiedene Arten verwendet: Für die Grundkonstruktion (Wände, Böden und Dach), zum Isolieren und zum Verkleiden. Bei Holzbauten gibt es zwei unterschiedliche Arten der Bauweise: Zum einen die Blockbohlenbauweise – bei der Holzstämme aufeinander gelegt und ineinander verschränkt werden. Beim sogenannten Stabtragwerk übernehmen senkrecht und schräg montierte Holzbohlen als Säulen die Traglast und sorgen für die Festigkeit des Gebäudes. Bekannt ist diese traditionelle Baumethode von den Fachwerkhäusern im Mittelalter. Heutzutage erleben Holzbauweisen wieder eine Renaissance, denn mit modernen Fertigungstechniken, z.B. der Schichtholz- Technik, können Bauwerke in fast jeder Form – und in bisher ungeahnte Höhen – errichtet werden. Und dabei profitieren Bauherren und Bewohner von Langlebigkeit, Ressourcenschonung, gutem Raumklima und Ästhetik.
Ganz natürlich intelligent bauen
Bauphysikalisch gesehen ist Holz ein Faserverbundwerkstoff, der eine geringe Dichte besitzt – also leicht ist –, sich aber dennoch durch hohe Steifigkeit, Festigkeit und Tragfähigkeit auszeichnet. Durch seine Lufteinschlüsse wird es zu einem hervorragenden Dämm-Material – und zwar gegen Kälte, Wärme, Lärm und andere mechanische Schwingungen. So kann bei gleichem Dämm-Wert wie in der herkömmlichen Massivbauweise wesentlich platzsparender gebaut werden: Ein Nutzflächengewinn von rund 10 % ist bei moderner Holzbauweise wegen der dünneren Wände und Decken möglich. Die Natürlichkeit des Baustoffes wirkt auf den Menschen beruhigend – und die automatische Regulierung der Luftfeuchtigkeit unterstützt ganz von selbst ein optimales Raumklima. Speziell in waldreichen Regionen, wie der unseren, ist der Einsatz von Bauholz ressourcen-schonend, da einerseits mehr Holz nachwächst als verbaut wird – andererseits kurze Transportwege sich günstig auf den CO2-Fußabdruck auswirken. Ein möglicher Nachteil von Holz im Hausbau ist seine wasserspeichernde Eigenschaft. Um das Aufquellen – etwa bei starkem Regen – zu verhindern, werden wandschützende Dachkonstruktionen empfohlen. Neben speziellen Holzschutz- Anstrichen kommen auch Bauweisen zum Einsatz, die das Abtrocknen nach dem Regen begünstigen. Einen vermeintlichen Nachteil stellt die Brandgefährlichkeit von Holz dar. So gilt Holz (in großen Querschnitten) als brandhemmend, da sich bei Feuereinwirkung oberflächlich eine hitzebeständige Kohleschicht bildet, die das innenliegende Holz schützt. Übrigens ist die Flämmung von Holz für Holzhütten seit jeher bekannt – sie ist der Grund für die kohleschwarzen Hütten, die im alpinen Raum weit verbreitet sind.
Holzhäuser überragen die höchsten Bäume
Die günstigen Materialeigenschaften von Holz haben in letzter Zeit auch dazu geführt, dass vermehrt vielstöckige Holzhochhäuser in die Luft ragen. Gerade ist im norwegischen Bergen das sogenannte „Treet“ fertiggestellt worden – ein fast 50 Meter hohes Appartement- Haus, dessen tragender Kern ein Holzfachwerk ist, auf dem eine Holzfassade angebracht ist. In Vancouver ist ein 30- stöckiges Hochhaus aus Schichtholz geplant. Aber auch in Australien, Italien und England entstehen gerade herausragende Hochhausprojekte aus Holz – oder sind in Planung. Das weltweit höchste Holzhochhaus wird aber derzeit direkt in unserer Nachbarschaft gebaut – in der Seestadt Aspern. Das sehr treffend genannte „Hoho“ erlebte im Oktober 2016 seinen Spatenstich. Nahe an der U2-Station Seestadt gelegen, soll es zu einem hölzernen Wahrzeichen des neuen Stadtteils werden. 24 Stockwerke werden sich auf einer Höhe von 84 Meter verteilen. Das zu 75 % aus Holz errichtete Hochhaus wird ein Hotel, ein Restaurant, Appartements und Wellnessbereiche beherbergen. Wer sich jetzt schon einen Eindruck des welthöchsten Holzhauses verschaffen möchte, hat bei einem virtuellen Rundgang im Architekturzentrum Wien dazu noch bis zum 20. März 2017 die Gelegenheit. Vielleicht erspürt man dabei auch den Grund, warum viele Menschen so gerne mit einem Brett vorm Kopf leben – und die natürliche Holzumgebung schätzen: Wer möchte nicht in einem Haus leben oder arbeiten, dessen Material aus Licht, Luft, Erde und Wasser entstanden ist?