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Alles Theater! Wie Wien zur bedeutenden Stadt des Schauspiels wurde.

Theater und Wien passen gut zusammen. Es ist wie Mailand und Mode, Frankfurt und Banken oder München und Bier. Wien kann tatsächlich auf eine sehr lange und wechselvolle Geschichte der darstellenden Künste und seiner Bühnen zurückblicken.

Frühes Theater in Wien
Die ersten Spuren finden sich bereits in der Mitte des 14. Jahrhunderts und standen immer in Zusammenhang mit religiösen Riten und Darstellungen. Zum Beispiel Passionsfeierlichkeiten, die in der Rathauskapelle zur Aufführung kamen, oder auch ein Wiener Osterspiel aus dieser Zeit. Generell ist zu dieser Art von frühem Theater recht wenig überliefert oder gesichert. In der Renaissance kam es vermehrt zu Annäherungen an die theatralischen Formen der Antike. Es folgte eine opulente Zeit des Barocktheaters, in der menschliche Abgründe erstmals Platz fanden. Ebenso wie die pure Lust an vielfältigen Sinneseindrücken.

Zeit der Entfaltung
Eine wichtige Phase der Entfaltung erlebte das Theater in Wien zur Zeit Maria Theresias und Josephs des II. Erstmals wurde es auch dem Bürgertum ermöglicht, diese Kulturform zu erleben. Die neu gewährte vollständige Spielfreiheit bereicherte das Theaterleben und die Szene immens. Aus den fahrenden Komödianten wurden jetzt oft sesshafte Schauspieler und aus den Wanderbühnen bodenständige Vorstadttheater. Auch in der Inneren Stadt entstanden viele Theatergebäude, und 1776 erhob Joseph II. das damalige Burgtheater zum Nationaltheater. Die Geschichte dieses alten Burgtheater, das sich am Areal des heutigen Michaelertors befand, begann, als aus einem ehemaligen Ballhaus – einer Art Tennishalle – Ferdinands des I. ein Theatersaal wurde, der 150 Jahre lang bestehen sollte.

Das zweite Burgtheater
Die Enge der Zugänge und das wachsende Bewusstsein um die Sicherheit von Theatern waren zwei wichtige Faktoren, warum das erste Burgtheater unter Kaiser Franz Joseph Ende des 19. Jahrhunderts neu geplant und als einer der Prachtbauten der Ringstraße neu errichtet wurde. Die Planungen übernahm der renommierte Hamburger Architekt Gottfried Semper, der zu dieser Zeit vor allem durch die Oper in Dresden als absoluter Star in seinem Fach galt. Ihm wurde der junge Wiener Carl von Hasenauer zur Seite gestellt. Die fehlende Harmonie unter den beiden Herren brachte immer wieder Probleme und Verzögerungen mit sich – ein Phänomen, das man bei manch größeren Bauwerken ja auch heute noch kennt. Die Fertigstellung des Theaters gegenüber dem Wiener Rathaus wurde schließlich nach 14-jähriger Bauzeit 1888 gefeiert. Die Fassade ist mit zahlreichen Skulpturen von mythologischer und literarischer Bedeutung geschmückt: Apollo, Musen, Bacchus und Ariadne, Allegorien und Portraitbüsten verschiedener Dichter. Im Inneren des Theaters wurde der junge und noch unbekannte Gustav Klimt mit seinem Bruder Ernst und Franz Matsche mit der Ausschmückung der Stiegenhäuser mit Deckengemälden beauftragt. Für diese Deckengemälde wurde Klimt und seinen Kollegen von Kaiser Franz Joseph später auch das Goldene Verdienstkreuz verliehen. 1945 wurde das neue Theater, wie auch andere Bauwerke der Ringstraße – unter anderem die Staatsoper –, durch einen Bombenangriff stark beschädigt und brannte vollständig aus. 1955 konnte das Burgtheater nach mühevoller Wiederherstellungsarbeit neu eröffnet werden. In diesen Jahren diente das „Ronacher“ als Ausweichquartier.

Provokation, Modernität und neue Offenheit
Heute ist das Burgtheater immer noch führend unter den deutschsprachigen Schauspielhäusern. Seit der Direktion von Claus Peymann in den 1980er- und ’90erJahren auch als Ort kontroverser Inszenierungen und umstrittener Modernisierungen. Der innere Konflikt zwischen aufrüttelnder Provokation und solider Klassik setzt immer wieder Energien frei, die Regisseure, Schauspieler und Direktoren bestens zu kanalisieren wissen. Medienwirksame Skandale und Skandälchen wie die Peymann-Inszenierung von Thomas Bernhards „Heldenplatz“ im Jahr 1988, die Hermann-Nitsch-Performance 2005 oder das Konzert der Alt-Punker Die Toten Hosen im selben Jahr sorgten immer wieder für medienwirksame Platzierung und neues Publikum im Haus. Martin Kušej, der ab der Spielzeit 2019/20 die Direktion übernahm, will die Rolle des Nationaltheaters neu und in einem europäischeren Sinne interpretieren. Es soll mehr Raum für unbekanntere Akteure und Sprachen geben. Das Ensemble wird breiter gestreut sein und das Haus offener. Die Bezeichnung „Die Burg“ lehnt Kušej ab. Er will die Mauern in jeder Hinsicht abbauen.

Staatliche, private und freie Bühnen
Seinen Status als Theaterstadt verdankt Wien aber auch einer Reihe von anderen Häusern, die sich neben dem Burgtheater auf unterschiedlichste Art etabliert haben. Neben den staatlichen Bundestheatern, zu denen das Burgtheater ebenso gehört wie das Akademietheater, die Staatsoper und die Volksoper, gibt es noch die Vereinigten Bühnen Wiens, die im Besitz der städtischen Wien Holding sind. Dazu kommen große private Häuser, wie zum Beispiel das Theater in der Josefstadt oder das Volkstheater. Letzteres wurde 1889 als bürgerliches Gegenstück zum kaiserlichen Burgtheater gegründet. Der Zuschauerraum wurde mit nur wenigen Logen konzipiert und das Fassungsvermögen optimiert. Neben diesen etablierten Häusern gibt es noch die freie Theaterszene, die aus vielen kleinen Bühnen besteht und finanzielle Herausforderungen oft mit besonders viel Idealismus und Engagement ausgleichen muss; sie ist ebenfalls ein wichtiger Pfeiler des Wiener Theaterlebens. Die IG Freie Theater als Interessenvertretung ist dabei wichtige Unterstützung und hilft sowohl bei rechtlichen Fragen als auch beim Austausch und der Vernetzung von Theatergruppen sowie Schauspielerinnen und Schauspielern. Zuletzt sorgte die Herbergsuche des „brut“ für Diskussionen in den Medien. Dieses freie Theater, das weit über Österreich hinaus bekannt ist, musste mehr als ein Jahr auf die Standortentscheidung von Bund und Stadt Wien warten und in der Zwischenzeit unterschiedliche Quartiere zum Proben und Spielen beziehen. Eine Situation, die für viel Unmut sorgte und als Beispiel für die nicht immer optimalen Bedingungen der nichtkommerziellen Gruppen genannt wurde.

Das kleinste Theater Wiens
Eine besondere Art von Theater findet sich auch in WienFünfhaus. Unscheinbar und fast versteckt liegt dort in der Schwendergasse das – laut Eigendefinition – kleinste Theater Wiens: das Sacktheater. Ursprünglich als Kulturverein gedacht, entwickelte sich der Keller durch eine Verkettung glücklicher Umstände zu einem echten Geheimtipp. Denn ursprünglich war dort ein Freizeit- und Kulturverein geplant. Christian und Ilse Faltl haben ihn 2004 ins Leben gerufen. Damals startete man mit Clubabenden, Spieletreffen, Ausstellungen, Gesangs- und Theatervorstellungen. Bald stellte sich heraus, dass die Theater- und Tanzabende die gefragtesten waren. Das kam dem Autor Christian und der ehemaligen Staatsopern-Ballettelevin Ilse sehr entgegen. Mittlerweile finden die Vorstellungen monatlich statt. Nur im Sommer gönnt man sich eine Pause. Sämtliche Stücke sind selbst verfasst und stammen aus der Feder von Christian Faltl. Dabei ist die Breite der Formate beachtlich: Komödien, Sketchparaden und mittelalterliche Ritterspiele wurden schon aufgeführt. Es gibt circa neun bis zehn neue Produktionen pro Jahr, die von etwa 15 Akteurinnen und Akteuren gespielt werden. Sogar eine eigene „Theater-Soap“ hat es auf den Spielplan geschafft. Das war dem großen Zuspruch des Publikums geschuldet, das immer wieder Fortsetzungen des Ursprungsstücks „Wie wird man Kurort“ forderte – und auch bekam. Und so weht der Wind des großen Theaters auch im kleinen Rudolfsheimer Keller und beschert dem Publikum Unterhaltungsfreuden verschiedenster Art.

Fest steht: Die Vielfalt des Angebotes und der Bühnen ist in Wien überwältigend. Die Tradition hat vor vielen hundert Jahren die Basis gelegt, auf der die darstellerische Inspiration und die Kreativität heute aufbauen können. Und so erleben wir jeden Tag ein großes Schauspiel, das sich sehen lassen kann. Schauen wir uns das an!

 

Inspirationen

Buch: Die Theater Wiens
Die Autorin gibt in diesem umfangreichen Buch einen lückenlosen Überblick der Geschichte des Theaters in Wien. Von frühen Formen über die Hochblüte unter Joseph II. bis zu den Traditionshäusern der Moderne. Verena Keil-Budischowsky Die Theater Wiens, Paul Zsolnay Verlag

Sacktheater
Ilse und Christian Faltls Sacktheater ist das kleinste Theater Wiens. Informationen über neue Stücke und Reservierungsmöglichkeiten (aufgrund der wenigen Plätze empfohlen) gibt es auf www.sacktheater.at Schwendergasse 1b, 1150 Wien

Führungen Burgtheater
Wer eine spannende Führung durch das Burgtheater genießen will, braucht nicht viel Geduld. Denn es findet jeden Tag um 15 Uhr eine statt. Ausnahmen sind der 24. 12. und der Karfreitag.

Foto: Georg Soulek

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