Alles fließt. Wasserstadt Wien – ganz ohne Meer
Wenn es so etwas wie Wasserstolz gibt, findet man ihn in Wien. Neben dem wunderbaren Donaustrom und vielen traditionsreichen Bädern ist es vor allem das Trinkwasser, das die Wiener an ihrer Stadt lieben. Aufgrund seiner hohen Qualität gilt es als das sauberste der Welt.
Sauberes Wasser, gesunde Menschen
Diese Erfolgsgeschichte begann vor mehr als 150 Jahren. Einer Initiative des Geologen und Gemeinderats Prof. Eduard Sueß (nicht verwandt oder verschwägert mit dem fast gleichnamigen Kanal) ist zu verdanken, dass der Gemeinderat 1864 den Bau der I. Wiener Hochquellwasserleitung beschloss. Grund dafür war auch die mangelhafte Versorgung der wachsenden Stadt mit sauberem Wasser, weswegen sich Typhus und Cholera ausbreiteten. Das sollte bald ein Ende haben, denn schon 1873 war der erste 90 Kilometer lange Leitungskanal über Payerbach, Vöslau, Mödling und Liesing mit passendem Verteilungsrohrnetz in Wien fertig. Der Höhenunterschied von 280 Meter wurde so klug genutzt, dass keine Pumpen nötig waren (und sind), um das klare Quellwasser in die Haushalte zu bringen. Heute ist die I. Wiener Hochquellenleitung durch Einleitung weiterer Quellen insgesamt 150 km lang.
Wasserbedarf wurde größer
Das rasante Ansteigen der Einwohnerzahl Wiens nach 1890 machte es notwendig, neue Wasserreserven zu erschließen. Im Jahr 1900 beschloss der Wiener Gemeinderat auf Initiative des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger, eine zweite Hochquellenleitung zu errichten. Der städtische Ingenieur Oberbaurat Dipl.-Ing. Dr. Karl Kinzer fand die dafür notwendigen Quellen im Hochschwabgebiet. Während des Wasserleitungsbaues waren bis zu 10.000 Arbeiter im Einsatz. Am 2. Dezember 1910 wurde die II. Wiener Hochquellenleitung in Betrieb genommen. Bei einem Festakt im Wiener Rathaus schaltete Kaiser Franz Josef I. symbolisch eine „Wasserkunstanlage“ ein und genoss den ersten Schluck des frischen und köstlichen Quellwassers aus einem Kristallkelch. Die II. Wiener Hochquellenleitung liefert heute täglich bis zu 217 Millionen Liter Wasser aus dem steirischen Salzatal im Hochschwabgebiet nach Wien.
An der schönen blauen Donau
In Wien vom Wasser zu sprechen heißt auch, von der Donau zu schwärmen. Kein anderes Gewässer prägt die Stadt so stark wie Europas zweitlängster Fluss. Über Jahrhunderte war die Donau ein ungezähmter Naturraum. Stromschnellen gefährdeten die Schifffahrt, große Überschwemmungen bedrohten auch die Kaiserstadt Wien. Das änderte sich erst im 19. Jahrhundert, als sich die Habsburgermonarchie die Kultivierung des Flusses zur Aufgabe machte. Die Donau wurde zu einer wichtigen Wasserstraße und verband die Länder des Vielvölkerstaates.
Die Nationalbibliothek stellte in der großen Sonderausstellung „Die Donau“ außergewöhnliche Werke zu einer Reise in die Vergangenheit zusammen. Thematisiert wird die Donau als Grenze ebenso wie als verbindendes Element, als Sehnsuchtsraum von Künstlern und als Verkehrsstraße. Den Höhepunkt der Ausstellung bildet eine spektakuläre, 44 Meter lange Reproduktion der berühmten Pasetti-Karte. Diese ab 1857 vom k.u.k. Staatsministerium herausgegebene Landkarte hatte damals den Zweck, ein öffentliches Bewusstsein für die politische und wirtschaftliche Bedeutung dieses Wasserweges für die gesamte Donaumonarchie zu schaffen. Heute, nach den großen Regulierungsmaßnahmen und der Errichtung zahlreicher Kraftwerke, ist sie eine Erinnerung an eine Donau, die es so nicht mehr gibt.
Wo einst die Wildnis war
Eine ganz andere „Donau“ findet man in Floridsdorf und in der Donaustadt. Was die Wienerinnen und Wiener heute als „Alte Donau“ bezeichnen, war einst der wasserreichste Arm, auf dem früher der Schiffsverkehr verlief. Nur wenig erinnert noch an die Zeit, als die Donau in einem wilden, verzweigten Augebiet durch die Stadt floss und je nach Wasserstand ihren Lauf änderte. Zum Schutz vor Hochwasser trennte die Gemeinde diesen Donauarm bei der umfassenden Donauregulierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem Hubertusdamm ab. Die „Alte Donau“ wurde zu einem stehenden Binnengewässer. Auch unterschiedlichste Betriebe wie Färbereien, Mühlen und Werften siedelten sich hier an. Später kam die sogenannte Lustschifffahrt dazu. Es entstanden auch Kleingartensiedlungen und das legendäre Gänsehäufel. Außerdem lag an der Alten Donau die Wiege des Segel- und des Rudersports in Österreich. Zahlreiche Fotografien runden die Geschichte der Alten Donau ab, die heute ein Synonym für Sommer, Sonne und Entspannung, aber im Winter auch der größte Wiener Eislaufplatz ist.
Bäderstadt Wien
Bevor die Stimmung jedoch allzu frostig wird, wollen wir eine weitere Wiener Wassertradition genauer durch die Schwimmbrille betrachten: die Bäder. Von denen gibt es in Wien jede Menge. Die MA 44 zählt in ihrem Verwaltungsbereich stolze 38 Stück. Davon zehn Sommerbäder, vier Hallenbäder, sieben Kombibäder, elf Familienbäder, vier Saunabäder und ein Brausebad. Dazu kommen noch einige privat geführte Bäder, wie das Schönbrunner Bad oder die Therme Wien. Etwa um 1900 waren Baden und Schwimmen bei der breiten Bevölkerung angekommen. Ein wichtiger Impuls ging vom Gänsehäufel aus, einer Schotterinsel in der Alten Donau. 1907 eröffnete die Stadt hier ihr erstes „Strandbad der Commune Wien“. Eine Liebe von Anfang an: Schon im Eröffnungsjahr musste der Betrieb erweitert werden, bald hatte das Gänsehäufel eine Kapazität für 20.000 Badegäste. Nach dem Untergang der Donaumonarchie änderte sich im „Roten Wien“ vieles. Zeitgleich mit den großen Gemeindebauten entstanden weitere Volksbäder, einige wichtige Freibäder, wie 1928 das Kongreßbad, und zahlreiche Kinderfreibäder. Wien hatte bald einen guten Ruf als Bäderstadt. Badevergnügen, so der Grundgedanke, dürfe kein Privileg wohlhabender Schichten sein; das Angebot sollte sich nicht mehr nur auf Brause und Wanne beschränken. Dieses neue Selbstverständnis illustrierte das 1926 eröffnete Amalienbad, damals eines der modernsten Hallenbäder Europas.
Immer stärker in den Vordergrund rückt – auch in Zeiten des Klimawandels – der Umweltschutz. Durch die energietechnische Optimierung der Anlagen wurde der ökologische Fußabdruck der Wiener Bäder seit der Jahrtausendwende deutlich kleiner. Die MA 44 achtet auf Nachhaltigkeit und entwickelte mit der „Bäderstrategie 2030“ ein umfangreiches Konzept, um für eine erfolgreiche Transformation der Traditionsbäder in die Zukunft gerüstet zu sein.
Dank des Wassers gebaut
Dem Wasser hat Wien auch architektonisch einiges zu verdanken. Die Alte Schiebekammer zum Beispiel. Als der heutige Meiselmarkt in Rudolfsheim-Fünfhaus noch ein Wasserspeicher war, erfolgte der Zugang zu den Behältern über die Schiebekammer. Dort befanden sich auch die Zu- und Ableitungsrohre mit den entsprechenden Sperrvorrichtungen, den „Schiebern“. Heute ist die beeindruckende Alte Schiebekammer ein Veranstaltungsraum.
Auch der Wasserturm in Favoriten ist ein echtes Wasser-Wahrzeichen. Er liegt auf dem höchsten Punkt Favoritens, dem Wienerberg. 1898/99 erbaut, ist er ein sehr markantes Bauwerk des industriellen Historismus. Seine Funktion war es, die höher gelegenen Teile von Favoriten und Meidling mit Wasser zu versorgen, bevor diese Aufgabe 1910 von der II. Wiener Hochquellwasserleitung übernommen wurde. 1956 wurde der Wasserturm endgültig stillgelegt und 1990 nach Originalplänen generalsaniert. Heute ist er ein wunderschöner Rahmen für Kultur, Ausstellungen oder andere Events.
Digitaler Fluss
Für alle Freunde des digital-akustischen Fließens gibt es übrigens den Wiener Wasser-Audioguide. Hier erfährt man via Hearonymus-App Interessantes über die Wiener Wasserversorgung, das Wiener Hochquellwasser sowie Brunnen und Besichtigungsmöglichkeiten in der Stadt. Die Audioguides gibt es in Deutsch, Englisch und Italienisch. Hören Sie hier gleich rein:
- Auf den Spuren von Wiener Wasser (Audioguide)
- Wasserturm Favoriten (Audioguide)
- Hochstrahlbrunnen (Audioguide)
- Brunnen im Rathauspark (Audioguide)
- Marokkanerbrunnen (Audioguide)
- Vermählungsbrunnen (Audioguide)
Ausstellung „Die Donau“
Sonderausstellung außergewöhnlicher Werke aus der Nationalbibliothek, wie die berühmte Pasetti-Karte. Es können auch Patenschaften für 264 pittoreske Donauansichten übernommen werden.
Prunksaal der Österreichischen Nationalbilbliothek
Bis 21. November täglich von 10 bis 18 Uhr
Wiener Wasserschule
In der Wiener Wasserschule lernen Schüler von der 2. bis zur 8. Schulstufe spielerisch Wissenswertes zum Thema Wasser. Schulklassen haben die Möglichkeit, den Wasserturm Favoriten kostenlos zu besuchen und hier zu experimentieren.
Wiener Wasserschule
Windtenstraße 3, 1100 Wien
Museum HochQuellenWasser
Begeben Sie sich auf die Spuren der II. Wiener Hochquellwasserleitung, und zwar dort, wo sie beginnt: in Wildalpen. Ein nachgebauter Stollen kann besichtigt werden. Geologie, Baugeschichte und Quellenschutz sind weitere Themen.
Museum HochQuellenWasser Wildalpen
Säusenbach 14, 8924 Wildalpen
Videos: Stadt Wien, Stadt Wien/Bohmann,
Foto: WienTourismus/Christian Stemper