Als Wien reif für die Insel war
Donauinselfest, Rock in Vienna, Palast der Pferde und Zirkus des Grauens.
Schwimmen, Sonnen, Radln, Skaten, Essen, Trinken und Abhängen – all das gibt die Donauinsel auch diesen Sommer wieder her. Wir werfen einen Blick auf die Geschichte der Donauinsel und schauen uns an, welchen Stellenwert sie für Wien, den Hochwasserschutz, die Menschen und die Natur hat.
Vom wilden Wasser zur Regulierung
Wo heute Donau, Neue Donau und Alte Donau stromlinienförmig, artig und gesittet Wien von Nord nach Süd durchziehen, gab es früher ein weitläufiges Überschwemmungsgebiet mit vielen Haupt- und Nebenarmen, mit ausladenden Auwald- und Sumpfgebieten. Ein kurzer Blick auf historische Wienkarten genügt, um den Unterschied zu heute sofort zu erkennen.
Schon 1918 gab es erste Ideen, den Durchfluss zu regulieren – vor allem, um den Hochwasserschutz zu verbessern. Doch erst die Überschwemmungs-Katastrophe des Jahres 1954 bewies nachdrücklich, dass die vorhandenen Dämme nicht ausreichen, wenn Tausende Kubikmeter Donauwasser sich ins Wiener Becken ergießen. Die Verantwortlichen von Bund und Stadt Wien ließen vier Varianten zur Wasser-Entlastung ausarbeiten – und mit dem Gemeinderatsbeschluss vom September 1969 entschloss man sich für ein 21 Kilometer langes Entlastungsgerinne, das von Korneuburg bis zur Lobau reichen sollte.
Nach der Bewilligung 1970 und dem Baustart 1972 dauert es noch 16 Jahre, bis die Donauinsel im Jahr 1988 feierlich eröffnet wurde.
Ein paar Daten und Fakten zum Bau:
Damit eine Durchflusskapazität von 14.000 m3/s erreicht werden konnte (früher rund 9.000 m3/s), mussten 30 Millionen Kubikmeter Erdmaterial aus der Donau ausgehoben werden. Aus diesem Aushub entstand quasi als Nebenprodukt die Donauinsel – zusätzlich befestigt mit zwei Millionen Kubikmeter Steinen zur Sicherung des Ufers und der Böschungen. Außerdem wurden bei der Erbauung 1,8 Millionen Bäume und Sträucher gesetzt und 170 Hektar Wald angelegt, wobei auch viele Altbaumbestände erhalten und in das Gesamtkonzept integriert wurden.
Hochwasserschutz oder doch Freizeitparadies?
Ursprünglich standen bei der Planung der Donauinsel rein technische und hydrologische Überlegungen im Vordergrund. Nach und nach reifte aber die Idee, das neu gewonnene Land zwischen Donau und Entlastungsgerinne nach städtebaulichen Kriterien aufzuwerten und zu entwickeln. Beim Wettbewerb zur Gestaltung der Insel waren Nutzung als Erholungsgebiet, Verbindung zwischen Innenstadt und Kagran und die gute Erreichbarkeit entscheidende Vorgaben. 1977 entschied man sich für ein Konzept, das ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Sport-, Natur- und Erholungsflächen vorsah.
Es mutet heute seltsam an, dass das Projekt von verschiedenster Seite massiv kritisiert wurde. Begriffe wie „Fadennudel“ oder „Spaghetti-Insel“ machten die Runde – doch der Plan, Hochwasserschutz, Schifffahrt und Naherholungsraum miteinander zu vereinen war nicht mehr zu stoppen.
Mittlerweile beneiden Bewohner vieler Städte die Wiener für die vielseitige Nutzung, die die Insel zulässt: Badeplätze, Liegewiesen, Erholungs- und Spielwiesen, Wandern, Laufen, Radfahren, Skaten, Sportplätze, Beachvolleyball, Hundezonen, Gastronomie, Kletterpark, Radverleih, Ruderzentrum, Wassersportzentrum, Segelhäfen, Bootsverleihe, Surf- und Paddelschule, Trampolinanlage, Wasserrutsche, Wakeboard-Lift, Festwiese, Zirkuszelte, Jahrmärkte, Grillplätze und vieles mehr machen sie zu einem Freizeitpark der Superlative.
Neben den Tausenden Besuchern, die zum Erholen oder Sport treiben auf die Insel kommen, bricht allerdings das alljährliche Donauinselfest alle Rekorde: Bis zu drei Millionen Besucher zählt das weltweit größte Open-Air Spektakel jedes Jahr – an nur drei aufeinander folgenden Tagen. Eine Zahl, die man sich zu seiner Gründung im Jahr 1984 wohl nicht vorzustellen gewagt hätte.
Grund für den reibungslosen An- und Abtransport der Massen an Musik- und Kulturfans ist die gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr: Mittlerweile erreichen, neben Tram, Bussen und S-Bahn, drei U-Banhlinien die 250 m schmale und 21 Kilometer lange Insel.
Kultur versus Natur
Es scheint unvorstellbar, dass neben dem Trubel und dem bunten Treiben auf der Donauinsel auch genügend Platz für Fauna, Flora und Öko-Nischen bleibt – und dennoch ist es so.
Verantwortlich dafür ist die Konzeption der Insel in einen mittigen, parkähnlichen Bereich, rund um die Reichsbrücke – und naturnahe Gebiete im Norden und Süden mit viel Altbaumbestand, Wiesenflächen und renaturierten Uferbereichen. Seltene Tier- und Pflanzenarten finden hier einen geschützten Rückzugsbereich vor – und so konnte sich die Artenvielfalt erhalten und kontinuierlich vergrößern. Zum Beispiel am Toten Grund, einem Auwald-Überbleibsel bei der Steinspornbrücke oder am Hüttenteich, dem ältesten Gewässer der Donauinsel – oder am Tritonwasser, dem größten künstlichen Teich, nahe der Praterbrücke.
Und wahrscheinlich sind es genau diese Gegensätze, die unsere Donauinsel zu einem so einzigartigen Teil von Wien machen: Einerseits die wasserbautechnische Funktion gepaart mit Naherholung für den Menschen – andererseits High-Life gepaart mit unberührter Natur. Auf der Donauinsel findet jeder, was er will.
Wie sagt man in Wien? Jeder nach seiner Façon!
Infos über die Donauinsel und ihr Angebot – unter:
www.wien.gv.at/umwelt/wasserbau/donauinsel